Trollblumen im Herbst? | Trollius europaeus

Biologisch sinnvoll blüht die Trollblume Trollius europaeus normalerweise im späten Frühjahr. Im Herbst 2023 kann man sie aber vielerorts im Chiemgau auch in Vollblüte sehen, während gerade die Blätter von den Bäumen fallen.

Auf den nassen Streuwiesen im Chiemgau rings um den Chiemsee und im weiteren Alpenvorland sticht die Trollblume (Trollius europaeus) im Mai mit ihren dottergelben Blüten schon aus der Ferne ins Auge. Seltener kann man die Blüten auch im Herbst entdecken – so gerade derzeit im Oktober 2023.

Das ist nicht völlig ungewöhnlich. Außerhalb der Tropen stehen Pflanzen in der Regel mehrere äußere Faktoren „zur Verfügung“, anhand derer sie feststellen, welche Jahreszeit gerade ist. Das könnte die Regenmenge sein wie im Mittelmeergebiet, wo es nach einem in der Regel regenarmen Sommer im Herbst deutlich feuchter wird (trifft definitiv nicht auf den Chiemgau zu), die Temperatur oder eine zunehmende bzw. abnehmende Tageslänge.

Pflanzen, die das Frühjahr an steigenden Temperaturen erkennen, laufen in langen Schönwetterperioden im Herbst immer wieder Gefahr, fehlgeleitet zu werden. Wenn es zwischendrin kühler war und die Temperaturen dann für längere Zeit wieder ansteigen, „interpretieren“ sie dies als Frühjahr und blühen – was schön anzusehen ist, aber nicht mehr zur Samenreife führt.

Das gleiche Phänomen sieht man übrigens gerade auch an einigen Apfelbäumen.

Blau blüht der Enzian? | Gentiana pannonica

Entspricht auf den ersten Blick so gar nicht der „klassischen“ Vorstellung vom Enzian: der Ungarische Enzian Gentiana pannonica.

Beim Enzian denken die einen an Gebirgspflanzen, die anderen an einen Schnaps. Beide haben Recht. Auf den Schnapsflaschen sind dabei in aller Regel die großblütigen blaublühenden Arten abgebildet, so wie Stängellose Enzian (im Chiemgau Gentiana clusii). Das ist aber Etikettenschwindel!

Für die Herstellung benötigt wird nämlich die dicke Speicherwurzel von großwüchsigen Enzianarten aus dem Alpenraum, und die blühen alle nicht blau! Der über einen Meter hohe und in den Alpen weit verbreitete Gelbe Enzian (Gentiana lutea) wird oft dafür verwendet, er kommt aber in den Chiemgauer Alpen nicht vor. Bei uns wächst dafür auf höhergelegenen Bergwiesen der rot-violette Ungarische Enzian (Gentiana pannonica), und er ist nicht minder schön oder interessant als die blaublütige Verwandtschaft!

Buchenfarn | Gymnocarpium dryopteris

Der Buchenfarn Gymnocarpium dryopteris wächst natürlich nicht nur unter Buchen…

Unter den faszinierend vielfältigen Farnen des Chiemgaus findet man im Bergwald gelegentlich den Buchenfarn. Seine Wedel stehen einzeln und fallen, wenn überhaupt, durch ihre frischgrüne Farbe auf. Vom sehr viel häufigeren Rupprechtsfarn Gymnocarpium robertianum unterscheidet er sich auf den ersten Blick durch die drei annähernd gleich großen Wedelteile (beim Rupprechtsfarn sind die beiden untersten Seitenfiedern deutlich kleiner als der Rest des Wedels).

Vielblütige Weißwurz / Polygonatum multiflorum

Vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum) in den Alzauen bei Trostberg

Weißwurz beschreibt ganz treffend das fingerdicke, kurz unter der Erdoberfläche kriechende Rhizom dieser Pflanze, die jedes Jahr einen Spross ausbildet. Die abgestorbenen Sprosse der Vorjahre hinterlassen eine nabelförmige Delle auf dem dadurch vielfach gekrümmten Rhizom, was wiederum zum wissenschaftlichen Namen beigetragen hat: Polygonatum bedeutet in etwa „vielknotig“ oder „viele Knie“.

Die vielblütige Weißwurz ist eine von drei Arten der Gattung im Chiemgau und in einigermaßen naturnahen Wäldern weit verbreitet.

Rote Heckenkirsche / Lonicera xylosteum

Rote Heckenkirsche (Lonicera xylosteum)

Die Rote Heckenkirsche ist ein kleiner Strauch und im Chiemgau weit verbreitet. Sie wächst in Wäldern, vor allem aber in Übergangsbereichen wie Waldrändern oder Feldgehölzen. Die Gattung Lonicera ist wahrscheinlich eher für ihre Lianen bekannt, so wie das Geißblatt oder Je-länger-je-lieber (Lonicera caprifolium), das regelmäßig wegen des angenehmen Blütendufts als Zierpflanze an Häuser gepflanzt wird.

Charakteristisch für alle Geißblatt- und Heckenkirschenarten sind die doppelten Blüten und Früchte: Jeder Blütenstiel (in Wirklichkeit ist es ein Blütenstandsstiel) trägt zwei Blüten, jeder Fruchtstandsstiel dann entsprechend zwei Früchte.

Mehlprimel / Primula farinosa

Mehlprimel (Primula farinosa)

Mehrere Jahrzehnte lang waren die „Mehlprimeln“ als musikalisch-satirisches Duo fester Bestandteil der deutschen Kabarettlandschaft. Zur Namensgebunng lässt sich nur spekulieren. Ging es ihnen um den Heimatbezug? Hat einfach der skurrile Name gefallen?

In diesem Beitrag geht es nun tatsächlich um den Namensgeber: Die Mehlprimel (Primula farinosa). Ihre Blätter und Stängel tragen einen weißlichen Überzug, sie sehen aus wie bemehlt – daher ihr Name, im deutschen wie im lateinischen. Die zierliche Pflanze wächst auf mageren Wiesen, oft in Quellmooren, und blüht im späten Frühjahr.

Gewöhnlicher Wurmfarn / Dryopteris filix-mas

Gewöhnlicher Wurmfarn (Dryopteris filix-mas)

Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Zeiten gewesen sein müssen, als es noch keine modernen Arzneimittel gab, die auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen getestet waren. Vom Wurmfarn wusste man wohl aus Erfahrungswerten, dass sich damit Darmparasiten bekämpfen ließen – beim Vieh wie beim Menschen. Soviel zum deutschen Namen… Von einer Verwendung wird heutzutage abgeraten, die Wedel sind dann doch wohl nicht nur für die Würmer giftig.

Von mehreren einheimischen Wurmfarnarten ist der Gewöhnliche Wurmfarn der häufigste. Er wächst in aller Regel in Wäldern und sieht so aus, wie man sich einen Farn vorstellt: Die Wedel in Form einer trichterförmigen Blattrosette angeordnet und mehrfach zerteilt.

Zwergbuchs / Polygala chamaebuxus

Zwergbuchs (Polygala chamaebuxus)

Die kleinen ledrigen immergrünen Blätter erinnern tatsächlich an den Buchs, spätestens an den Blüten des Zwergbuchs‘ oder Buchsblättrigen Kreuzblümchens wird aber klar, dass hier keine nähere Verwandtschaft bestehen kann. Kreuzblümchen, wie die Gattung Polygala generell genannt wird, sind nahe mit den Schmetterlingsblütlern wie Klee oder Wicke verwandt.

Der Zwergbuchs kommt in den gesamten Alpen und in den deutschen Mittelgebirgen vor, überall dort, wo im Untergrund Kalk oder Dolomit vorliegt. Fast immer wächst er zusammen mit der Schneeheide (Erica carnea) an Sonnenhängen oder in lichten Nadelwäldern.

Der Zwergbuchs blüht sehr zeitig im Frühjahr – so zeitig, dass vorwitzige Individuen manchmal schon ein einer Schönwetterphase im November oder Dezember ihre Blüten öffnen.

Schusternagerl / Gentiana verna

Schusternagerl (Gentiana verna)

Wenn die leuchtend blauen Blüten der Schusternagerl auf den Almwiesen erscheinen, ist der Frühling da. Der weit verbreitete Volksname des „Frühlings-Enzians“, wie Gentiana verna im Hochdeutschen bezeichnet wird, nimmt Bezug auf die Form der Blüten. Die fünf Blätenblätter sind zur Spitze hin flach ausgebreitet, zur Basis aber in eine schmale Röhre zusammengezogen, so dass sich die Anmutung eines Nagels ergibt. Die wissenschaftliche Botanik bezeichnet dies als „Stiel-Teller-Blume“. So kann man’s auch sagen…

Schusternagerl waren übrigens auch einmal im Alpenvorland verbreitet. Nur ganz wenige Standorte gibt es heute noch, die so mager geblieben sind, dass die kleinen Enziane nicht durch konkurrierende Arten vom Licht abgeschnitten werden.

Kleiner Exkurs zu den Nachtfaltern

Spinner, Spanner, Schwärmer und Eulen – diese vier Gruppen von Nachtfaltern hat Stefan Kattari sen. im Chiemgau in den letzten Jahren intensiv erforscht. Die Ergebnisse liegen jetzt kompakt auf 172 Seiten zusammengefasst vor. Über 400 Nachtfalterarten konnte er im Chiemgau nachweisen, die meisten davon werden im Buch abgebildet.

Was haben Schmetterlinge mit der Flora des Chiemgaus zu tun?

Die Querverbindungen sind vielfältig! Alle Schmetterlingsraupen fressen an Pflanzen, viele erwachsene Schmetterlinge bestäuben Pflanzen. Manchmal kann man Raupen schon allein an ihrer Futterpflanze bestimmen – dazu müsste man aber die Futterpflanze auch mit Namen kennen. Spätestens hier geben sich Entomologie und Botanik die Hand.

172 Seiten, klimaneutral gedruckt auf Recyclingpapier. ISBN 978-3-949316-02-9. 24,90 Euro.